Unterstützung

Kooperationspartner

Light-Produkte - Der schwere Irrtum mit der leichten Kost

Fett ist als ungesunder Dickmacher verschrien. Statt Butter und Salatöl landen immer öfter Light-Produkte in Form von Wurst und Magermilch im Einkaufswagen. Doch die angeblich leichten Produkte sind oft alles andere als gesund.

Light-Produkte

Die Bikinisaison ist eröffnet und Tausende denken beim kritischen Blick in den Spiegel: Der Speck muss weg. Gnadenlos wird die Butter vom Tisch genommen. Man kasteit sich beim Fleisch, bei Sahne und Salatöl. Denn schließlich macht Fett fett, glauben viele. Laut einer Eurobarometer-Umfrage halten 45 Prozent der Europäer eine fettarme Ernährung für besonders gesund. „Fett ist definitiv negativ besetzt“, bestätigt Reinhard Pietrowsky, Psychologe an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. „Unter den jungen Frauen zeigen fast alle ein gezügeltes Essverhalten und meiden vor allem Fett“, weiß er. Sie seien besonders gefährdet, in eine Essstörung abzurutschen. Magersüchtige, aber auch Dicke und Normalgewichtige mit Angst vor Fett im Essen prägen die Generation Null Fett. Die kollektive Furcht vor Kalorien ist ein idealer Nährboden für die Low-Fat-Industrie. Sie entfernt den unliebsamen Nährstoff aus Kartoffelchips, Salatöl und Pommes. Diät-Lebensmittel locken mit Beinamen wie light, zero, leicht oder low-fat. Noch nie waren so viele Produkte aus diesem Sortiment zu sehen, wie bei der diesjährigen Internationalen Grünen Woche in Berlin.

Ohne Fett läuft nichts

In ihrer Fetthysterie übersehen viele, dass ein Leben ohne Fett in Kürze ins Grab führt. Der Nährstoff ist nicht nur Energiereserve, sondern erfüllt auch lebenswichtige Funktionen. Er schützt Herz, Nieren und Lunge. Bei einer Verletzung der Organe eilen Stammzellen aus dem Fettgewebe herbei und reparieren zu einem gewissen Grad den Schaden. Im Fettgewebe des Körpers werden nahezu alle wichtigen Botenstoffe erzeugt. Dazu zählen auch die weiblichen Geschlechtshormone, die Östrogene. „Damit Frauen ihre Regelblutung bekommen, brauchen sie eine bestimmte Menge Körperfett“, unterstreicht Susanne Klaus, Expertin für Energiestoffwechsel am Deutschen Institut für Ernährungsforschung. Die kritische Marke liegt bei einem Anteil von 18 bis 22 Prozent Fett am Körpergewicht. Fehlt dieses essenzielle Fett, schaltet der Körper auf Sparflamme und die Menstruation bleibt aus. Die fettlöslichen Vitamine A, D, K und E brauchen Fett, um überhaupt vom Körper aufgenommen zu werden. Nicht zuletzt transportiert Fett Aromen, weshalb Köche ihre Kompositionen gerne mit einer extra Flocke Butter oder einem Schuss Sahne kredenzen.

Light-Produkte: Fettarm ist nicht automatisch gesund

Ob die bloße Verringerung der Fettmenge im Essen wirklich zu mehr Gesundheit führt, stellt eine der größten epidemiologischen Untersuchungen zu fettarmer Kost, die amerikanische Womens Health Study, in Frage. Von 48.835 Frauen im Alter von 50 bis 79 Jahren wurde knapp die Hälfte auf eine leichte Ernährung umgestellt. Die Frauen reduzierten den Fettanteil ihrer Nahrung von 38 auf 29 Prozent der Gesamtenergiezufuhr. Zur Ernüchterung der Forscher erkrankten die Frauen mit fettarmer Kost nach acht Jahren nicht seltener an Brust- und Darmkrebs als die Vergleichsgruppe. Ebenso wenig deuteten die Blutwerte auf einen Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen hin. Es hagelte zwar Kritik von Kollegen: Die Teilnehmerinnen seien zu alt gewesen, hätten sich vermutlich nicht an die Ratschläge der Wissenschaftler gehalten und acht Jahre seien für ein Krebswachstum zu kurz. Doch der neue Leitfaden der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, für den alle verfügbaren Studien zum Fett ausgewertet wurden, kommt ebenfalls zu dem Schluss: Viel Fett erhöht zwar das Risiko für Übergewicht. Ein direkter Zusammenhang zu Krebs, Bluthochdruck und Diabetes wurde aber nie nachgewiesen. Wahrscheinlich besteht er gar nicht.

Viel entscheidender als die Menge an Fett, scheint die Art des verzehrten Fettes zu sein. Besonders ungünstig sind gesättigte Fette, bestätigt Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke, einer der Autoren des Leitfadens. Dieses Fett aus Milchprodukten und rotem Fleisch erhöht die Gefahr von Infarkten und Gefäßverkalkungen. Es wird überdies verdächtigt, Krebs zu begünstigen. Als noch schädlicher gelten Trans-Fettsäuren, die hauptsächlich beim Härten von Fetten entstehen. Sie treiben die Werte an schädlichem Cholesterin im Blut in die Höhe. Insbesondere Backmargarinen und daraus hergestelltes Gebäck, Snacks und Blätterteig weisen hohe Gehalte der schädlichen Transfette auf, wie eine Untersuchung der Universität Jena zu Tage förderte. Waffeln, Mikrowellen-Popcorn und Croutons sind teilweise ebenfalls hoch belastet.

Ungesättigte Fettsäuren sind lebenswichtig

Während gesättigte Fette und Trans-Fettsäuren der Gesundheit übel mitspielen, wirken sich ungesättigte Fettsäuren positiv aus. Einfach ungesättigte Fettsäuren wie die Ölsäure und mehrfach ungesättigte Fettsäuren wie Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren schützen vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Im richtigen Verhältnis zueinander lindern sie Entzündungen, verringern die Gefahr eines Diabetes und wirken vermutlich Darmkrebs entgegen. In einigen Untersuchungen konnten Omega-3-Fettsäuren sogar Depressionen abschwächen. Zu den bekanntesten Vertretern der Omega-3-Fettsäuren gehören die Linolensäure aus Raps-, Lein- und Walnussöl sowie die Eicosapentaensäure aus Makrele, Lachs und Hering. In diesen Lebensmitteln sind auch die wichtigen Omega-6-Säuren vertreten. Mischt man Tieren die ungesättigten Fette unters Futter, setzen sie sogar weniger Speck an, als wenn ihnen gesättigte Fette gegeben werden.

Macht gutes Fett am Ende noch schlank? Bislang ist das noch nicht erwiesen, warnt Klaus Eder, Ernährungsphysiologe an der Universität Halle-Wittenberg. Aber das Klischee vom per se ungesunden Dickmacher ist auf jeden Fall widerlegt. Erwachsene können mit einigen einfachen Grundsätzen die schlechten Fette meiden und den guten den Vortritt lassen. Anstelle einer Tüte Chips ist eine Handvoll Nüsse allemal besser. Mehr Fisch als Schweinefleisch und Pflanzenöl statt Billigmargarine in der Bratpfanne zahlen sich aus. Heiner Boeing schwört auf Raps- und Olivenöl, die reich an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind.

Gute Fette in Bioessen

Mit gutem Beispiel geht die Bio-Branche beim Fett voran. Sie entzieht sich nicht nur dem Nullfettwahn, sondern setzt traditionell auf besonders hochwertige Pflanzenöle. Im Warenregal findet der Kunde kalt Gepresstes aus Olive, Raps, Walnuss, Kürbiskern, Sesam und Sonnenblume. Auf die Raffination mit chemischen Lösemitteln wird gänzlich verzichtet. Das kommt der Gesundheit zu Gute. Zumal 2007 bei der amtlichen Lebensmittelüberwachung in raffinierten Fetten hohe Mengen an möglicherweise schädlichen Chlorpropandiol-Fettsäureestern gefunden wurden. Den besonders schädlichen Transfetten wird der Zutritt zur Bioküche verwehrt, denn gehärtete Fette sind bei den Herstellern tabu. Pommes und Chips werden schonend in Sonnenblumenöl, Kokos- oder Palmfett frittiert. Auch in Biomargarinen sucht man die gehärteten Substanzen vergeblich. Die streichfähige Konsistenz wird hier durch Fette erzielt, die bereits in der Natur fest bis zähflüssig vorliegen, wie Kokos- und Palmfett.

In konventionellen Supermärkten sind dagegen fettarme Produkte gefragt wie nie. Mehr als zwei Drittel aller Deutschen greifen zu Streichkäse, Hartkäse und Joghurt in der Light-Variante, berichtet Steven Brechelmacher von der Gesellschaft für Konsumforschung. In US-Supermärkten muss man Joghurt, Milch und Butter mit normalem Fettgehalt sogar suchen. Bei so viel Light dürfte es eigentlich nur Fliegengewichte geben. Umso erstaunlicher ist, dass unter den Amerikanern weitaus mehr Menschen übergewichtig sind als hierzulande.

Light-Produkte machen nicht leicht

Ernährungswissenschaftler kennen den kollektiven Trugschluss der Null-Fett-Generation: Nicht überall, wo Light drauf steht, ist Leichtes drin. Damit sich ein Produkt Light nennen darf, muss es mindestens 30 Prozent weniger Fett oder Zucker als das Original enthalten. Dennoch kann eine Light-Wurst oder eine Light-Kräuterbutter noch erhebliche Mengen an Fett enthalten. Zudem werden den Produkten oft Kohlenhydrate zugefügt, um Wasser zu binden und den Geschmack des Originals halbwegs zu wahren. Die Zeitschrift Öko-Test enthüllte beispielsweise, dass der vermeintlich leichte Müller Milchreis mit 11,9 Prozent so viel Zucker enthält, dass er alles andere als schlank macht. Australische Forscher der Deakin University in Melbourne warnen generell vor Light-Produkten. Viele Nahrungsmittel mit wenig Fett weisen eine hohe Energiedichte auf. Eine durchschnittliche Mahlzeit bringt es auf 5,1 Kilojoule pro Gramm, ermittelten sie. Die fettarmen Produkte kamen jedoch auf einen Wert von 7,7.
„Viele Leute erwarten, dass die Lebensmittel auch einen niedrigeren Energiegehalt haben. Tatsächlich ist die Fettmenge zwar niedriger als bei den Originalen, trotzdem sind sie sehr energiereich“, erklärt Studienleiterin Helen La Fontaine. Da Gemüsegerichte, auch wenn sie mit viel Öl serviert werden, nur 3,9 Kilojoule pro Gramm beisteuern, seien sie die bessere Wahl. Außerdem stecken in vielen der fettarmen Produkte große Mengen an Zucker oder an anderen industriell bearbeiteten Kohlenhydraten. Und zu viel Zucker in der Light-Nahrung ist mindestens ebenso ungesund wie zu viel Fett.

Verführt Light zum Mehressen?

Neben Eiweiß und Ballaststoffen sorgt Fett vorrangig für das Gefühl der Sättigung. Ohne den Nährstoff wird man zum Nimmersatt. Als David Pierce von der kanadischen Universität Alberta Ratten 16 Wochen lang mit Light-Produkten fütterte, aßen diese viel mehr Kalorien als ihre Artgenossen. Am Ende der Diät wogen sie sogar mehr. Die natürliche Sättigungsregulation werde durch die Light-Nahrungsmittel außer Kraft gesetzt, so Pierce. Psychologen hegen auch Bedenken anderer Art gegen die Low-Fat-Produkte. „Wenn wir diese Produkte zu uns nehmen, glauben wir, wir haben uns etwas Gutes getan. Oft führt das dazu, dass wir an anderer Stelle mehr essen“, so Pietrowsky. Er rät deshalb: „Wer abnehmen möchte, sollte generell weniger essen.“ Light-Produkte sind in seinen Augen nicht zu empfehlen.

Unsichtbare Fette werden leicht übersehen

Die wenigsten Low-Fat-Anhänger verzichten jedoch konsequent auf Fett. Die Abneigung richtet sich vor allem gegen Speisen, in denen man das Fett sieht, etwa in Form von Fettaugen, oder unmittelbar auf der Zunge schmeckt. Eine Bratensoße, einen Schweinebraten oder ein Butterbrot essen Figurbewusste deshalb in aller Regel nur ungern. „Das was sichtbar ist, ist leicht zu verteufeln“, erklärt Pietrowsky. „Manche Menschen sind aber einseitig blind. Beispielsweise werden stattdessen viele Fertiggerichte verzehrt, die in der Regel mehr Fett enthalten als selbst Gekochtes.“ Snacks mit versteckten Fetten wie eine Milchschnitte oder ein Stück Streuselkuchen verkneifen sich selbst Fettphobiker oft nicht. Das Essverhalten gerät zu einem Schlingerkurs zwischen vermeintlich Magerem und tatsächlich Magerem. Darin lauern besondere Tücken: Der Körper holt sich die versagten Kalorien über die versteckten Fette zurück, zumal er sich an der leichten Kost nicht satt essen konnte. Diese Ernährungsweise ist besonders ungesund. Denn gerade in Fertigprodukten und Süßwaren stecken viele gesättigte und gehärtete Fette, die das Herz-Kreislauf-System belasten. Am besten lässt sich der Fettkonsum im Rahmen halten, wenn Lebensmittel bevorzugt werden, die von Natur aus wenig Fett enthalten. Viel Obst und Gemüse, Kartoffeln, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte auf dem Speiseplan lassen wenig Platz für Fettlastiges.

Quelle: Donner, S.: "Light-Produkte - Der schwere Irrtum mit der leichten Kost" UGB-Forum 4/09, S. 193-196
Foto: monkey.Business/Fotolia.com