Durch den demografischen Wandel wird unsere Bevölkerung immer älter. Das Plus an Lebensjahren bedeutet aber auch eine Zunahme an altersbedingten Erkrankungen wie Demenz. Neueste Forschungsergebnisse zeigen: Polyphenole aus pflanzlichen Lebensmitteln spielen in der Prävention eine besondere Rolle.
Alterungsprozesse können sich unter anderem durch neurologische Erkrankungen wie die bisher noch unheilbare Alzheimer-Krankheit bemerkbar machen. Ansätze, die Lebensstilfaktoren wie Ernährung, Bewegung und kognitive Stimulation integrieren, bieten nachweislichen Schutz vor Demenz. Gerade die Ernährung scheint eine wichtige Rolle bei der Prävention zu spielen. So existieren für die mediterrane Ernährung, die in der Lebensmittelzusammenstellung der Vollwert-Ernährung sehr ähnlich ist, wissenschaftlich überzeugende Nachweise. Beide Ernährungsformen basieren auf viel Gemüse, Obst und Hülsenfrüchten, (Vollkorn-)Getreideprodukten, Nüssen und einem moderaten Konsum von Milchprodukten, Fleisch und Fisch. Der aktuellen Forschung gelingt es jetzt immer besser, die molekularen Wirkmechanismen von Inhaltsstoffen der mediterranen Diät aufzuklären – vor allem für pflanzliche Polyphenole.
Diabetes und Adipositas erhöhen das Risiko
Demenz äußert sich primär im Verlust von Erinnerungen und wird durch den kontinuierlichen Abbau von Nervenzellen im Gehirn verursacht. Die häufigste und wohl bekannteste Form dieses Gedächtnisverlustes stellt der Morbus Alzheimer dar. Einige Risikofaktoren tragen zur Entwicklung einer Demenz bei. So erhöhen unter anderem ein hohes Lebensalter, eine familiäre Vorbelastung oder Mutationen bestimmter Gene das Risiko für eine Demenz. Aber auch Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie und Adipositas spielen eine Rolle. In Deutschland sind heute rund 1,7 Millionen Menschen an Demenz erkrankt, bis 2050 wird ein Anstieg auf knapp drei Millionen prognostiziert. Die Diagnose ist heute durch moderne bildgebende Verfahren und die kognitive Testung recht sicher zu stellen. Betroffene bekommen jedoch in aller Regel erst davon etwas mit, wenn es bereits zu spät ist und der Nervenverlust einen kritischen Wert überschritten hat. Meist wird erst ab diesem Zeitpunkt die Alzheimer-Krankheit diagnostiziert.
Ungleichgewicht fördert Demenz
Das Gehirn eines durchschnittlichen Erwachsenen trägt in etwa zwei Prozent zum gesamten Körpergewicht bei. Es beansprucht jedoch in etwa 25 Prozent der dem Körper zur Verfügung stehenden Blutglucose und 20 Prozent des eingeatmeten Sauerstoffs zur Energiegewinnung. Diese wird in erster Linie von den Mitochondrien bewerkstelligt. Tatsächlich stellt eine mitochondriale Dysfunktion eines der deutlichsten und frühesten Anzeichen einer Alzheimer-Demenz dar.
Mitochondrien spielen also offenbar eine zentrale Rolle bei der Entwicklung einer Alzheimer-Demenz oder ähnlichen Erkrankungen. So ist bei einer Alzheimer-Erkrankung eine beeinträchtigte Funktion und Neubildung (Biogenese) von Mitochondrien zu beobachten. Die mitochondriale Biogenese kann durch verschiedene Einflüsse wie Kälte, Fasten oder den Lebensstil beeinflusst werden. Sie aktivieren regulatorische Proteine, die die mitochondriale Neubildung steuern. Ein Defizit dieser wichtigen Proteine ist sowohl bei Alzheimer-Erkrankten als auch beim physiologischen Alterungsprozess bekannt.
Polyphenole im Fokus der Forschung
In den letzten Jahren rückt die Aufrechterhaltung der mitochondrialen Funktion über Faktoren wie den Lebensstil und die Ernährung als präventive Maßnahme verstärkt in den Fokus der Forschung. Hierunter fallen auch die Polyphenole. Der Körper benötigt diese sekundären Pflanzenstoffe zwar nicht für einen reibungsfreien Stoffwechsel, aber er kann dennoch von ihnen profitieren.
Neben Omega-3-Fettsäuren sind es vor allem auch die Polyphenole, denen die mediterrane Diät ihren positiven Nutzen verdankt. Zu finden ist diese Substanzgruppe von mehr als zehntausend Einzelverbindungen vor allem in unterschiedlichen Obst- und Gemüsesorten wie Äpfeln, Beeren, Oliven, Zwiebeln oder Tee, wo sie verschiedenste Funktionen erfüllen. So schützen sie die Pflanzen zum einen durch ihre milde Toxizität vor Fressfeinden, durch ihre antioxidativen Eigenschaften jedoch auch vor UV-Strahlen.
Studien bestätigen neue Hypothese
Anders als bisher angenommen ist es nicht die direkte antioxidative, sondern vielmehr die leicht toxische Wirkung der Polyphenole, der die gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben werden müsste. Denn diese aktivierten körpereigene Schutzmechanismen. Sie haben zusätzlich einen positiven Einfluss auf die Biogenese von Mitochondrien sowie die Aufrechterhaltung deren Dynamik. Polyphenole wie Oleuropein aus der Olive oder Resveratrol aus der Traube sind hierbei in der Lage, Signalkaskaden anzustoßen, die zur Bildung neuer Mitochondrien führen. In Untersuchungen konnten Polyphenole zu einer verlängerten Lebenserwartung in verschiedenen Modellorganismen wie Fadenwürmern und Mäusen führen. Weiterhin konnten Studien zeigen, dass die Fütterung mit Polyphenolen aus Oliven die Lebensspanne verlängerte, den ATP-Spiegel im Gehirn erhöhte und die Gedächtnisleistung gealterter Labormäuse verbesserte.
Mit Vollwert-Ernährung vorbeugen
Übertragen auf den Menschen bedeutet das, dass wir sehr wohl einen Einfluss auf die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz nehmen können. Zwar lässt sich über eine ausgewogene Ernährung wie die Vollwert-Ernährung, die reich an Gemüse und Obst mit ihren Polyphenolen ist, eine Alzheimer-Demenz nicht behandeln oder heilen, wohl aber einen positiven Einfluss auf den Zeitpunkt und den Verlauf der Diagnose nehmen. Durch einen gesunden Lebensstil sind wir in der Lage, den Alterungsprozess zu verlangsamen und so einige beschwerdefreie Jahre im Alter dazu zu gewinnen. Darüber hinaus beschränkt sich der positive Einfluss einer gesunden Ernährung natürlich nicht nur auf die Entwicklung einer Demenz, sondern wirkt sich auch auf die meisten anderen altersbedingten Erkrankungen sowie den allgemeinen Gesundheitszustand positiv aus.
nach Prof. Dr. Gunter P. Eckert, gekürzt aus UGBforum 1/22
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