Die Hüfte schmerzt beim Gehen, das Knie fühlt sich nach dem Aufstehen ganz schön steif an, die Hand ist nicht mehr so beweglich. All das sind typische Beschwerden von Menschen mit Rheuma. Mit einer bewussten Auswahl von Lebensmitteln lässt sich die Aktivität der Krankheit beeinflussen und Schmerzen lindern.
Hinter dem Begriff Rheuma verbergen sich verschiedene Erkrankungen mit unterschiedlichen Krankheitsbildern. Sie treten größtenteils am Bewegungsapparat auf, häufig verbunden mit Schmerzen und eingeschränkter Beweglichkeit. Es können harte Strukturen betroffen sein wie Knochen, Gelenke und Knorpel, aber auch Weichteile wie Muskeln, Bänder, Sehnen und Blutgefäße. An der Ursache für rheumatische Erkrankungen können Entzündungen, Gelenkverschleiß durch Überbeanspruchung (Arthrose) oder Stoffwechselstörungen beteiligt sein. Nach Schätzungen sind in Deutschland etwa 2,6 Prozent der erwachsenen Bevölkerung oder 1,8 Millionen Menschen davon betroffen.
Die rheumatoide Arthritis, auf die im Folgenden insbesondere eingegangen wird, stellt die häufigste entzündliche rheumatische Gelenkerkrankung dar. Sie ist eine Autoimmunerkrankung, die durch wiederkehrende akute Entzündungsschübe gekennzeichnet ist. Durch fehlgesteuerte Reaktionen des Immunsystems setzt der Körper vermehrt Entzündungsstoffe frei, die zerstörerische Prozesse in Gang setzen und unter anderem Gelenkinnenhaut, Gelenkknorpel und knöcherne Strukturen angreifen. Neben dieser klassischen rheumatischen Erkrankung zählen aber noch sehr viel mehr Krankheitsbilder zum rheumatischen Formenkreis wie Fibromyalgie, Morbus Bechterew, Gicht oder Arthrose.
Antientzündlich essen
Neben entzündungshemmenden Medikamenten, Schmerzmitteln und krankengymnastischen Übungen spielen Bewegung und Entspannung sowie genügend Schlaf eine große Rolle in der Behandlung von Rheumakranken. Um Entzündungsprozesse im Körper zu reduzieren und Symptome zu mildern, ist auch eine Ernährungstherapie wirkungsvoll. Zu den Grundsätzen gehört, krankheitsverstärkende und entzündungsfördernde Substanzen in der Ernährung zu verringern und gleichzeitig mehr entzündungshemmende Stoffe aufzunehmen.
Hinter den Beschwerden stecken sogenannte Entzündungsmediatoren. Das sind Botenstoffe, die auf bestimmte Zellen des Immunsystems wirken und damit das entzündliche Geschehen auslösen. Entzündungsmediatoren sind beispielsweise Zytokine (z.B. Interleukine) und Eicosanoide (z.B. Leukotriene und Prostaglandine). Der Stoffwechsel der Eicosanoide lässt sich über die Ernährung beeinflussen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei der Arachidonsäure zu, einer langkettigen Omega6-Fettsäure. Aus ihr kann der Körper entzündungsfördernde Botenstoffe bilden. Arachidonsäure ist in tierischen Fetten enthalten, hauptsächlich in Fleisch, Eigelb, Schweineschmalz, Schweineleber und Leberwurst. Sie wird im Organismus in geringen Mengen benötigt und kann aus Linolsäure gebildet werden. Deshalb empfiehlt sich in der Rheumatherapie nicht nur die Zufuhr der Arachidonsäure zu reduzieren, sondern auch die der Linolsäure. Günstig ist daher eine fleischarme oder vegetarische Kost sowie die Verwendung von Pflanzenölen mit geringerem Linolsäuregehalt wie Oliven-, Lein- und Rapsöl.
Zufuhr an Omega-3-Fettsäuren erhöhen
Eine hohe Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren hemmt die körpereigene Synthese von Arachidonsäure und deren Umwandlung in entzündungsfördernde Eicosanoide. Gute pflanzliche Quellen für Omega-3-Fettsäuren in Form der Alpha-Linolensäure sind zum Beispiel Lein-, Leindotter-, Walnuss-, Soja-, Hanf- oder Rapsöl. Besonders wirksam sind die langkettigen Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA). Sie können im Körper aus Alpha-Linolensäure gebildet werden, allerdings nur in sehr begrenztem Umfang. Da diese beiden Fettsäuren in größeren Mengen hauptsächlich in fetten Seefischen wie Lachs, Hering oder Makrele vorkommen, lautet die ärztliche Empfehlung oft, möglichst zweimal pro Woche Fisch zu essen oder Fischölkapseln einzunehmen.
Fisch- oder Algenöl?
In verschiedenen Studien konnte die Einnahme von Fischölpräparaten Symptome wie Schmerzen oder Morgensteifigkeit mindern. Andere Studien konnten wiederum keine Belege für einen positiven Effekt finden. Eine Wirkung ist beispielsweise auch davon abhängig, wie hoch die gewählte Omega-3Dosis ist oder wie viel EPA im Verhältnis zu DHA eingesetzt wird. Denn insbesondere EPA scheint Entzündungen entgegenzuwirken. Eine Meta-Analyse von 42 Rheumastudien aus dem Jahr 2017 schreibt den langkettigen Omega-3-Fettsäuren nur einen moderaten Einfluss auf das Schmerzgeschehen zu. Die Omega-3-Gabe kann aber dazu beitragen, den Einsatz entzündungshemmender Schmerzmittel (nicht-steroidale Antiphlogistika) zu verringern.
Vor dem Hintergrund überfischter Meere sind aus ökologischer Sicht eher pflanzliche Nahrungsmittel als Quelle für Omega-3-Fettsäuren empfehlenswert. Denn nicht nur Fisch und Fischöl sind reich an EPA und DHA. Das Öl aus Mikroalgen liefert ebenfalls die entzündungshemmenden Fettsäuren. Mit EPA und DHA aus Mikroalgen angereicherte Pflanzenöle sind daher eine gute Alternative. So zeigte eine zehnwöchige Untersuchung, dass sich der Verzehr von mit Mikroalgenöl angereicherten Nahrungsmitteln günstig auf Gelenkschwellungen und Entzündungswerte bei Menschen mit rheumatoider Arthritis auswirkte.
Pflanzliche Kost schützt
Zahlreiche Studien zu rheumatoider Arthritis konnten zeigen, dass sich bei vegetarischer Ernährung Symptome wie Schmerzen oder Morgensteifigkeit verbessern. Auch Medikamente, die oft unerwünschte Nebenwirkungen haben, lassen sich dadurch einsparen. Eine vegetarische Kost liefert deutlich weniger Arachidonsäure als eine Mischkost mit Fleisch. Mit der in westlichen Industrieländern typischen Ernährungsweise werden etwa 200-400 Milligramm (mg) Arachidonsäure pro Tag aufgenommen, mit einer vegetarisch orientierten Kost sind es lediglich etwa 50 mg. In der Rheumatherapie wird eine maximale Aufnahme von 80 mg Arachidonsäure täglich oder 350-500 mg pro Woche empfohlen.
Auf Antioxidanzien achten
Wichtig ist auch, dass Rheumapatient:innen genügend Antioxidanzien aufnehmen, die dem Organismus dabei helfen, Sauerstoffradikale unschädlich zu machen und Entzündungsprozesse abzuschwächen. Zu den Antioxidanzien in der Ernährung zählen insbesondere Vitamin C und E, Beta-Carotin, die Spurenelemente Selen, Kupfer und Zink sowie zahlreiche sekundäre Pflanzenstoffe wie Flavonoide oder Glukosinolate. Nüsse, Samen und kaltgepresste, native Pflanzenöle wie Weizenkeimöl liefern reichlich antientzündliche sekundäre Pflanzenstoffe und Vitamin E. Auch Gemüse und Obst sind reich an antioxidativ wirksamen Inhaltsstoffen. Vitamin-C-reich sind insbesondere Paprika, Kohl, Zitrusfrüchte und Äpfel. Zur Versorgung mit antientzündlich wirksamen Spurenelementen sind Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte sowie Nüsse eine hervorragende Quelle.
Lebensmittel als Auslöser
Auslöser für die typischen Schübe bei rheumatoider Arthritis kann auch eine Empfindlichkeit auf bestimmte Lebensmittel sein. Autoimmunerkrankungen gehen überdurchschnittlich häufig mit Unverträglichkeiten einher. Neben Fleisch und fettreichen Milchprodukten gelten vor allem auch Mais, Weizen und Hafer als schubauslösend für Gelenkbeschwerden. Betroffene sollten verdächtige Lebensmittel wegen einer möglichen Mangelversorgung aber keinesfalls nicht in Eigenregie weglassen. Zusammen mit einer Ernährungsfachkraft gilt es herauszufinden, welche Lebensmittel möglicherweise Beschwerden hervorrufen.
Stark übergewichtige Menschen erkranken häufiger an rheumatoider Arthritis und haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf. Vermutlich ist daran das viszerale Fettgewebe (Bauchfett) beteiligt, das schädliche hormonelle Botenstoffe produziert. Diese begünstigen unter anderem Entzündungsvorgänge und sind an den Angriffen auf Gelenke beteiligt. Eine Gewichtsabnahme kann die Symptome vermindern sowie das Ansprechen auf Medikamente verbessern.
Fasten lindert Schmerzen
Untersuchungen zum Fasten bei Rheuma konnten zeigen, dass die Zahl der schmerzhaften und geschwollenen Gelenke während des freiwilligen Nahrungsverzichts bei den Betroffenen abnimmt. Außerdem verbessert sich nach wenigen Tagen die Beweglichkeit der Gelenke. Die positiven Effekte des Fastens beruhen einerseits auf der ausbleibenden Zufuhr der Arachidonsäure. Bestimmte Metabolite des Fastenstoffwechsels wirken zudem direkt antioxidativ und entzündungshemmend. Durch das Fasten vermindert sich außerdem das viszerale Bauchfett. Ergebnisse aus Fastenstudien zeigen, dass sich Fasten und eine anschließende vegetarische Ernährung langfristig günstig auswirken können. Betroffenen fällt es nach den schmerzlindernden Erfahrungen des Fastens zudem oft leichter, die Ernährung umzustellen hin zu mehr pflanzlichen Lebensmitteln. Sie sollten mit ihrem Rheuma aber nur unter fastenärztlicher Aufsicht am besten in einer Klinik fasten. Fastenärzt:innen können unterstützende Maßnahmen optimal und individuell einsetzen und mit der bestehenden Medikation abstimmen.
Vollwertig vegetarisch essen
Menschen mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen können ihre Therapie mit einer vorwiegend vegetarischen Ernährung unterstützen und ihren Krankheitsverlauf aktiv verbessern. Eine vollwertige Kost hilft außerdem, überflüssige Pfunde zu verlieren. Nicht zuletzt trägt die Ernährung maßgeblich dazu bei, Erkrankungen vorzubeugen, die häufig gemeinsam mit Rheuma auftreten wie Typ-2Diabetes, Arteriosklerose oder Fettstoffwechselstörungen.
Franziska Horvat , gekürzt aus UGBforum 2/22
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