Der faire Rat: Macht Milch krank?

Milch trägt hierzulande wesentlich zur Aufnahme der Mineralstoffe Calcium, Zink und Jod sowie den Vitaminen B2 und B12 bei. Einige Wissenschaftler machen den Milchkonsum jedoch für die Entstehung von Zivilisationskrankheiten wie Adipositas, Diabetes und Krebs verantwortlich.

Milch in der Kritik

Bodo Melnik, Arzt und Professor an der Universität Osnabrück, weist darauf hin, dass die wesentliche Funktion der Milch aller Säugetiere darin bestehe, nach der Geburt das Wachstum des Neugeborenen zu fördern. Ein regelmäßiger Konsum über das Säuglingsalter hinaus führe zur dauerhaften Überstimulierung von Wachstumsprozessen mit ungünstigen Auswirkungen auf den Stoffwechsel.


Verantwortlich machen Kritiker dafür unter anderem bestimmte Inhaltsstoffe der Milch, die sowohl den Insulinspiegel als auch den Spiegel eines Insulin-ähnlichen Wachstumsfaktors erhöhen. Letzteres regt die Zellteilung in fast allen Geweben an und ist damit wichtig für Wachstum und Entwicklung; möglicherweise kann er auch krebsfördernd wirken. Ob das tatsächlich geschieht, ist aber noch unklar.
Milch soll auch die Aktivität eines Protein-Enzym-Komplexes namens mTORC1 steigern. Eine erhöhte Aktivität von mTORC1 regt Zellwachstum und Zellteilung an. Er könnte eine Rolle beim Entstehen und Fortschreiten von Krankheiten spielen, die durch unkontrolliertes Wachstum wie bei Krebs oder eine beeinträchtigte Stoffwechselregulation wie bei Typ-2-Diabetes gekennzeichnet sind.
Eine Studie wies außerdem nach, dass MikroRNAs aus Kuhmilch vom Menschen in bedeutsamer Menge aufgenommen werden. MikroRNAs sind kurze Ribonucleinsäuren, die die Aktivität von Genen beeinflussen. Während Milchkritiker dies als ungünstig einstufen, zeigten Laborversuche an menschlichen Zellen positive Wirkungen auf die Knochenmineralisierung.

Epidemiologische Studien geben Entwarnung

Untersuchungen an größeren Bevölkerungsgruppen sprechen für einen positiven Effekt des Milchkonsums: Sie deuten darauf hin, dass der Verzehr von Milch und Milchprodukten langfristig vor Übergewicht und Adipositas schützt, außerdem sinkt vermutlich das Risiko für Typ-2-Diabetes. Hinsichtlich des Krebsrisikos sind die Ergebnisse uneinheitlich. Wahrscheinlich verringert sich das Risiko für Darmkrebs und möglicherweise sinkt das für Brustkrebs leicht. Das Prostatarisiko steigt dagegen vermutlich bei höherem Milchkonsum. Aufgrund eines besonderen Fettsäuremusters reduziert ein höherer Milchkonsum aus Sicht des Max-Rubner-Instituts in Karlsruhe zudem das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Eine betont pflanzenbasierte Kost wie die Vollwert-Ernährung mit einem geringen Anteil an Vollmilch und anderen Milchprodukten ist und bleibt empfehlenswert.

Text: Maike Nestle/Franziska Horvat

Foto: mirco1/pixelio.de