Weizen: besser als sein Ruf

Der Verzehr von Weizen soll dick machen, uns schneller altern lassen, Demenz oder Diabetes hervorrufen und für zahlreiche andere Krankheiten verantwortlich sein. Wissenschaftlich begründet ist das nicht.

Bestseller wie die Bücher „Weizenwampe“, „Dumm wie Brot“ oder „Warum macht die Nudel dumm“ beeinflussen mittlerweile Millionen Verbraucher – vor allem in den USA und Australien, aber auch immer mehr Menschen hierzulande. Darin wird behauptet, dass Weizen dick macht. Das könnte stimmten, wenn man mehr isst, als der Körper braucht, wie auch bei allen Lebensmitteln. Die Gewichtsabnahme durch Weizenverzicht, von der berichtet wird, ist jedoch allein auf eine reduzierte Kohlenhydrat- und damit Energieaufnahme zurückzuführen. Der Zusammenhang zwischen Weizenkonsum und Übergewicht ist schlicht falsch: In Ländern mit dem größten Weizenverzehr ist der Anteil medizinisch als fettleibig Eingestufter an der Bevölkerung deutlich geringer als in den USA oder der EU, wo sehr viel weniger Weizen gegessen wird. In Deutschland hat sich übrigens in den vergangenen 100 Jahren der Brotverbrauch auf die Hälfte reduziert, von täglich 400-500 Gramm pro Person auf heute gerade einmal 220 Gramm und die Zahl an übergewichtigen Menschen steigt weiterhin an.

Auch die Behauptung, es seien toxische Stoffe in Weizen hineingezüchtet worden, lässt sich nicht belegen. Dank der Pflanzenzüchtung sind moderne Weizensorten um einiges resistenter gegenüber Pflanzenkrankheiten und liefern gesteigerte Erträge unter sich ständig ändernden Klimabedingungen. Dabei kann die Züchtung nicht einfach neue Proteine schaffen, sondern versucht lediglich durch natürliche Kreuzung und Auslese, positive Merkmale aus verschiedenen Weizensorten in einer neuen Weizensorte zu vereinigen. Auch unser Verdauungssystem ist schon seit etwa 11.000 Jahren an Weizen angepasst. Evolutionär ist die Anpassung an tropische Früchte oder gar technisch modifizierte Nahrung wie fett- oder zuckerreduzierte Produkte sehr, sehr viel kürzer.

Wissenschaftlich belegt ist dagegen, dass nur wenige Menschen Weizen nicht vertragen. Für die allermeisten ist der Verzehr von Vollkornweizen sogar gesundheitsförderlich. Nur wer an Zöliakie (Glutenunverträglichkeit), einer Weizenallergie oder an Weizensensitivität leidet, muss glutenhaltiges Getreide bzw. Weizen vom Speiseplan streichen. Insgesamt sind schätzungsweise etwa 5 Prozent der Bevölkerung betroffen. Über 90 Prozent aller Menschen profitiert sogar gesundheitlich von einer Ernährung in der ausreichend Weizen in Form von Vollkorn enthalten ist. Weizenvollkornmehl ist reich an natürlichen Ballaststoffen, Mineralstoffen wie Zink und Selen, Vitaminen sowie essenziellen Aminosäuren.

Gekürzt nach: Prof. Friedrich Longin: Macht Weizen wirklich dick und krank? UGBforum 4/18, S. 176

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